18.02.20 – Reaktion auf den offenen Brief von Inna John

„Es gibt viele Möglichkeiten, etwas zu verbessern“

Auch Andreas Walther von der scandinavian-lifestyle GmbH & Co. KG reagiert auf den offenen Brief von Inna John – er teilt ihre Meinung nicht.

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Andreas Walther © scandinavian-lifestyle GmbH & Co. KG

 

In ihrem offenen Brief an den GPK-Verband schilderte Einzelhändlerin Inna John ihre Sicht auf die Situation der Branche und beklagte das Verhalten der Industrie. Andreas Walther von der scandinavian-lifestyle GmbH & Co. KG bringt die Sicht eines Online-Händlers in die Diskussion ein:

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben 2010 unser stationäres Geschäft geschlossen und vertreiben seit dem nur noch online. Wir teilen die Meinung von Inna John nicht!

Dass der Online-Handel weniger Kosten als der stationäre Handel hat, ist heutzutage eine falsche Annahme.

Der Online-Handel muss mindestens nach 2-3 Jahren massiv in Updates investieren. Weiterhin sind die Werbekosten sehr hoch, z. B. für Google und SEO-Marketing. Diese Kosten müssen erwirtschaftet werden. Dieses geht nur mit Controlling. Controlling benötigt als Basis eine funktionierende Warenwirtschaft.

Der stationäre Handel arbeitet in unserer Branche oft noch ohne Warenwirtschaft und Controlling. Daher ist z. B. kein Flächenmanagement möglich. Weiterhin achtet die Branche nicht auf Lagerumschlag, Umsatz pro Mitarbeiter, achtet nicht auf Selbstbedienungsmöglichkeiten, investiert in unbewegliche Wirtschaftsgüter. Unbeweglich bedeutet eingesetztes Kapital liegt fest und kann kein Geld verdienen wie z. B. Kaufen statt Leasing.

Solange der stationäre Handel glaubt, Firmen können nur emotional geführt werden, hat er keine Überlebenschance.

Es gibt viele Möglichkeiten etwas zu verbessern, wie:

- wenig, aber kompetentes Personal: Lösungsansätze wie Selbstbedienungsanteil erhöhen, Überwachung wegen Diebstahl durch intelligente Systeme -> Einsparung Personalkosten

- IT im Geschäft: Beratung mit Hilfe von einem Computer im Laden mit Online-Katalogen oder sogar einem eigenem Online-Shop, wo auch detaillierte Informationen zur Beratung abgerufen werden können -> bessere Beratung/zufriedenere Kunden

- Flächenmanagement/Fläche effizient nutzen: Ladenfläche ist teuer und ist für schwerdrehende Ware zu kostspielig (wird oft nicht mal ansatzweise überdacht) -> Erhöhung des LU / Optimierung der Effizienz

und vieles mehr

Solange der stationäre Handel sich nicht als professionelles betriebswirtschaftliches Unternehmen begreift, wird er auf mittelfristige Sicht keine Berechtigung mehr haben.

Daran ist nicht der Online-Handel Schuld, aber natürlich beschleunigt dieser das Problem.

E-Commerce-Händler, die wirtschaftlich mangelhaft geführt werden, verkommen kurzfristig zu Amazonplayern, Einmannbetrieben oder verschwinden. Langes Siechtum, wie im stationären Handel möglich, lässt dieser Markt nicht zu.

Auch konzeptionell muss sich der stationäre Handel nach meiner Ansicht erneuern. Nach verschiedenen Studien sucht der Konsument nach Individualität in seinem Lebensstil. Also warum nicht nach passenden Nebensortimenten suchen, anstatt 20 Kelchglasserien von zehn Herstellern anzubieten. So macht es der Buchhandel, ganz zu schweigen von den Home-Sortimenten wie von H&M und Zara.

Wir haben das Geschäft in Paderborn geschlossen, da wir uns zu stark spezialisiert hatten (ohne deutsche Marken geht es nicht in kleineren Städten) und da sich durch eine Großbaustelle, das Umfeld des Ladenlokals negativ verändert - sprich Lauf. Weiterhin ist eine 1a Lage in Paderborn, durch die hohe Zentralität der Stadt, für Markenhändler nicht finanzierbar.

Mit freundlichen Grüßen

 Andreas Walther

Hier geht es zum offenen Brief von Inna John und weiteren Reaktionen von Händlern und Branchenkennern.