23.01.20 – Offener Brief von Inna John

„Keine Unterstützung durch Lieferanten“

In einem offenen Brief an den GPK-Verband schildert Einzelhändlerin Inna John ihre Sicht auf die Situation der Branche und beklagt das Verhalten der Industrie.

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Inna John, Geschäftsführerin der Lothar John GmbH & Co. KG. © stil & markt

 

Im Gespräch mit der stil & markt-Redaktion spricht die Geschäftsführerin der Lothar John GmbH & Co. KG mit Sitz in Laatzen, die in Hannover das Fachgeschäft Lothar John und den gleichnamigen Online-Shop betreibt, von einem „Kampf gegen Windmühlen“. Nachfolgend ihr Schreiben an den GPK-Handelsverband Koch- und Tischkultur in voller Länge, am Ende des Textes finden Sie zudem Reaktionen weiterer Händler und Branchenkenner auf den Brief:

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin seit mittlerweile 1997 in der Branche Glas, Porzellan, Besteck tätig, habe meine Ausbildung in diesem Bereich absolviert, bin damit sozusagen aufgewachsen. Mittlerweile führe ich Lothar John Tischkultur seit drei Jahren in alleiniger Geschäftsführung. Neben dem Geschäft führen wir mittlerweile auch einen erfolgreichen Online-Shop. Gerne möchte ich diesen Brief nutzen, um meine Gedanken zu aktuellen Entwicklungen der Branche zu teilen.

Ich habe gefühlt wöchentlich Besuch von Außendienstmitarbeiterinnen und -mitarbeitern, die über die angespannte Lage unserer Branche klagen und bedauern, dass stationäre Geschäfte nach und nach schließen müssen. Geschäfte in Deutschland, denen es finanziell gut geht, lassen sich mittlerweile an einer Hand ablesen. Meine Wahrnehmung ist, dass von Seiten der Lieferanten in dieser angespannten Lage gar keine Unterstützung für die verbliebenen Einzelhändler kommt. Jedes Geschäft kämpft gefühlt für sich alleine um Kunden und Umsatz. Dabei repräsentiert jedes Geschäft ihre Marke und macht Werbung dafür, begeistert den Endverbraucher für ihre hochwertigen Produkte. Jedes dieser Geschäfte bezahlt hohe Mieten, da eine 1A-Lage für die Marken des Premium-Segments, die wir vertreiben, unentbehrlich ist. Dazu kommen Kosten, die die Einzelhändler in die Ausbildung neuer Mitarbeiter investieren, weil Ungelernte, meiner Meinung nach, in der beratungsintensiven Branche nicht gerade von Vorteil sind. Ein Laie braucht drei Jahre, bis er die fachlichen Inhalte des Segments Glas, Porzellan, Besteck verinnerlicht hat und sie in der Beratung des Kunden sicher anwenden kann. Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind am Ende gerade wegen der Ausbildung sehr wertvoll – aber auch eben teuer. In unserem Unternehmen habe ich mittlerweile 15 junge Menschen, die mit viel Liebe und Hingabe bei uns ausgebildet wurden und mit Leidenschaft für die Branche brennen.

Doch was macht der Lieferant für uns? Er verkauft seine Ware in einem eigenen Online-Shop, oft sogar mit Rabatten oder Sondereditionen, die der Einzelhandel nicht angeboten bekommt. Noch schlimmer finde ich die Tendenz, dass er seine Ware dazu noch bei Amazon anbietet. Er beliefert außerdem zahlreiche reine Online-Shops, die tendenziell nur über den Preis verkaufen oder sehr preisaggressiv sind. Reine Online-Shops selbst wecken aus meiner Erfahrung kein Interesse am Produkt, im Geschäft jedoch lassen sich die Produkte, ihre Verarbeitung und Qualität live erleben. Online-Shops profitieren also nur davon, dass ein Einzelhändler früher Interesse an einem bestimmten Produkt/Marke geweckt hat, das der Endkunde letztendlich aber preiswerter online einkauft. Die bekannte Folge: Desto mehr Marken und Facheinzelhandelsgeschäfte aus den Innenstädten verschwinden, desto weniger bleiben sie im Gedächtnis der Kunden erhalten.

Ich habe darauf aufbauend einige Wünsche formuliert, um in der derzeit schwierigen Lage Abhilfe zu schaffen. Ich wünsche mir, als unterstützende Maßnahme des Lieferanten, eine andere Spanne als für reine Online-Händler und anknüpfend mehr Kommissionsware, die nach Verkauf bezahlt wird. Eine verbesserte beziehungsweise kulantere Reklamationsabwicklung ohne komplizierte Nachweise passt ebenfalls dazu. Auch fände ich andere oder höhere Rabatt-Aktionen, die ausschließlich für den reinen Einzelhandel gelten, wünschenswert.

Um den Einzelhändler zu unterstützen, wäre weiterhin ein größeres Werbebudget förderlich, um gezielte Werbemaßnahmen zu schalten. Wir beschäftigen dafür extra einen Mitarbeiter, der sich um Social Media kümmert und für unseren Laden wirbt. Hierbei bewirbt er logischerweise auch unsere Lieferanten, da er unseren Laden und seine Marken in seiner Gesamtheit darstellen möchte. In diesem Zusammenhang wünsche ich mir zudem mehr Anregungen und Ideen für kommende Events von den Lieferanten. Um auch weiterhin die bestmögliche Beratung zu bieten – und genau deswegen kommen Kunden ja gezielt in Fachgeschäfte –, würde ich mir mehr kostenlose oder preisgünstige Schulungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wünschen. Es wäre außerdem schön, wenn Ware, die sich Mitarbeiter wünschen, zum halben EK zu bekommen wäre. So wäre es auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einem niedrigen bis durchschnittlichen Gehalt möglich, unsere Ware zu erwerben. Und wie wir sicherlich wissen: Ware, die wir zu Hause haben und mit der wir uns täglich beschäftigen, lässt sich vor dem Kunden noch besser verkaufen.

Abschließend möchte ich noch einen, sicherlich radikalen, Wunsch nennen. In Anbetracht der erhöhten Belastung durch Mietausgaben schlage ich eine anteilige Beteiligung an der Mietsumme anhand der im Geschäft belegten Quadratmeterzahl der jeweiligen Partner vor. Es ist meine feste Überzeugung, dass diese Wünsche nur das Minimum an Unterstützung abbilden, um das Fortbestehen der letzten wenigen Facheinzelhändler auf dem Markt zu sichern. Mittelfristig werden ansonsten selbst diese letzten verbliebenen Geschäfte in schätzungsweise drei bis fünf Jahren nicht mehr existieren.

Auch in unserem Unternehmen ist die Lage bereits so, dass unser Online-Shop die Verluste des Ladengeschäftes abfängt. Ginge diese negative Entwicklung derartig weiter, müssten wir, wenn unser bisheriger Mietvertrag für das stationäre Geschäft ausläuft, ebenfalls auf einen reinen Online-Shop umstellen. Ein Verlust nicht nur für unsere täglichen Stammkunden, sondern ein weiterer für die Innenstadt und die gesamte Einzelhandelsbranche, nicht nur in Hannover. Ich kann also nur appellieren: Bitte helfen Sie uns als Handelsverband, die letzten bestehenden Facheinzelhändler am Leben zu erhalten! Unterstützen Sie uns gezielt bei den Kosten und lassen Sie uns gemeinsam den Einzelhandel voranbringen und stark aufstellen für die Zukunft! Nur so lässt sich auch zukünftig Premium-Ware in 1A-Lage präsentieren.

Mit freundlichen Grüßen

Inna John

 

Was halten Sie von Inna Johns Ausführungen? Diskutieren Sie mit und schreiben Sie uns: info@stilundmarkt.de.

Hier lesen Sie die Reaktionen diverser Händler und Branchenkenner, sie werden nach und nach ergänzt: