25.02.20 – Zukunft des Einkaufens
Der Bahnhof als Erlebnisort
Der Bereich Travel Retail ist hierzulande eher in Bezug auf Verkaufsflächen in Flughäfen begrenzt. Allerdings ist auch an den großen Bahnhöfen Deutschlands eine schleichende Veränderung zu beobachten, wie unsere Gastautorin Stefanie Otto erläutert.
In Japan wird der Bahnhof zum eigenen Stadtzentrum mit fluktuierender Infrastruktur und eigenen Erlebniswelten. Doch auch in Deutschland lassen sich diverse Steigerungen messen. Daten des EHI belegen eine Entwicklung der Handelsflächen in deutschen Bahnhöfen. Deutlich erkennbar ist dies in Köln und Hamburg, wo sich eine Steigerung der Besucherfrequenz um 50 % in den letzten 20 Jahren feststellen ließ. 2017 konnte Köln mit 69 Verkaufsflächen bis zu 280.000 Besucher und Hamburg mit 77 Verkaufsflächen sogar 450.000 Reisende täglich vorweisen. Hier wurde im Zuge der Revitalisierung das Shoppingangebot erheblich ausgeweitet. Der Trend geht auch hierzulande in Richtung Travel Retail, von dem bis heute hauptsächlich die Flughäfen profitiert haben. Insgesamt lag der Anteil der Mieter aus dem Einzelhandel in deutschen Bahnhöfen 2017 bei 43 %. Ein deutliches Zeichen, dass auch der Handel gute Standorte besetzen kann.
Beispiel Berliner Hauptbahnhof
Ein Beispiel nach ähnlichem Prinzip wie das in Japan ist der Berliner Hauptbahnhof mit ca. 80 Ladengeschäften. Auffällig ist da natürlich der Prestige Status der einzelnen Geschäfte, was womöglich auf die Ladenmiete zurückzuführen ist. Gute Idee, aber die falsche Klientel! Das Angebot von Luxusgütern ist da schlichtweg fehl am Platz. Vielmehr empfiehlt es sich schon fast, nach dem Vorbild Japans, den Bahnhof als Stadtkern zu betrachten und auch dort die mittelständischen Retailer in den Vordergrund zu stellen. Auch an dieser Stelle sollte man eventuell umdenken und den Fokus auf verlängerte Aufenthaltsdauer legen, was schlussendlich auch zu einer Umsatzerhöhung führt. Vor allem mit den steigenden Besucherzahlen, die aus einem wachsenden Umweltbewusstsein resultieren, bieten sich Bahnhöfe als perfekter Ausgangspunkt für eine neue Retail-Branche.
Bedarf an Innovation
Bauliche Restriktionen bei Gebäuden aus dem 19. Jahrhundert und älter erschweren einen Ausbau im direkten Innenbereich des Bahnhofs, schließen dennoch nicht die Gebiete um und unterhalb des Gebäudes aus. Besonders wenn man bedenkt, dass die Bahnen 2018 insgesamt 2750 Tage, und somit fast vier Mio. Minuten Verspätung vorweisen. Nichts frustriert mehr als verschwendete Zeit. Wenn man in diesem Zeitraum die Hälfte seiner Weihnachtseinkäufe erledigen könnte, ohne das Gebäude verlassen zu müssen, würde auch die Wartezeit nicht mehr so schlimm erscheinen. Und wenn die Geschäfte auf längere Aufenthaltszeit und Erlebnis ausgelegt sind, verbringt man dort gerne die übrige Zeit, auch wenn man nicht unbedingt den nächsten Zug bekommen muss, sondern der Bahnhof selbst das Ziel geworden ist. An dieser Stelle springt einem das Ladenschlussgesetz als Umsatzquelle schon förmlich ins Gesicht. Hier gibt es deutschlandweit ganz klar Innovationsbedarf!
Die Autorin
Stefanie Otto arbeitet als Junior Projektmanagerin bei der gmvteam GmbH, der Düsseldorfer Innovationsagentur für Handel und Stadtentwicklung. Sie ist zudem Autorin im Blog www.zukunftdeseinkaufens.de.