08.11.21 – Zukunft des Einkaufens

Einkaufen nach Ladenschluss

Lokal shoppen außerhalb der Öffnungszeiten? „Virtual Window Shopping“ macht’s möglich. Unsere Gastautorin Karin Wunderlich von Zukunft des Einkaufens erläutert das Konzept.

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Unsere Gastautorin Karin Wunderlich © André Dahms

 

Die Diskussionen um Liberalisierung der Öffnungszeiten werden von Politik und Handel immer noch hitzig geführt. Einerseits könnten Ladenöffnungszeiten rund um die Uhr und insbesondere an den Sonntagen die Position des stationären Einzelhandels gegenüber dem omnipräsenten E-Commerce stärken. Aber seien wir doch einmal ehrlich: Zugute würde dies eher den filialisierten Konzernen kommen. Dem selbstständigen Einzelhändler, der in der Regel schon einen überlangen Arbeitstag innerhalb der üblichen Öffnungszeiten hat, ist es schier unmöglich noch mehr Personal einzustellen, um die Öffnung des Ladengeschäfts rund um die Uhr zu ermöglichen. Und: Gerade der innerstädtische Handel in klein- und mittelständischen Gemeinden ist geprägt von selbständigem Einzelhandel. Wünschenswert wäre es daher, das Produktportfolio außerhalb der Öffnungszeiten dem geneigten Kunden oder Besucher der Innenstadt verfügbar zu machen; gerade für den selbstständigen Handel, der meist keinen Online Handel hat.

Online punktet durch Unabhängigkeit von Öffnungszeiten

Einer der Hauptgründe für den Einkauf im Internet ist die Unabhängigkeit von Öffnungszeiten, ein Trend der sich durch die zunehmende Vernetzung und Digitalisierung eher verstärken wird. Große Handelsunternehmen stellen sich aus diesem Grunde zunehmend als Multi- oder Omnichannelanbieter auf; wie das Beispiel von Mediamarkt zeigt, häufig auch mit großem Erfolg. Selbstständige Einzelhändler haben diese Möglichkeit nicht. Um neue Lösungswege zu testen, trat die „Future City Langenfeld“-Initiative im letzten Jahr an, um die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten durch den virtuellen Besuch, über einen Monitor im Schaufenster eines Ladengeschäftes, als einen Erfolgsfaktor für Innenstädte mit Unterstützung der TH Köln zu testen.

Auch nach Ladenschluss die Produkte sehen

Ziel des Projektes war die Untersuchung eines Konzepts, das den Kunden ermöglichte, auch nach Ladenöffnungszeiten durch das Sortiment eines stationären Einzelhändlers zu stöbern. Angeregt durch den virtuellen Besuch sollten sie motiviert werden, das Geschäft zu Geschäftszeiten nochmals zu besuchen, zusätzlich incentiviert über einen Rabattcoupon.

Getestet wurde ein Windowshopping-Konzept der Agentur Grey Shopper. Dies bestand aus einem interaktiven Monitor, der es den Kunden ermöglichte, durch Verbinden des eigenen Smartphones mit dem aufgestellten Monitor im Sortiment des Modegeschäfts zu stöbern. Die Steuerung des Bildschirms erfolgte ebenfalls über das eigene Smartphone. Bei Interesse an einem Produkt bestand für den Kunden die Möglichkeit, sich einen Rabattcode zu generieren, den er beim Kauf innerhalb der Öffnungszeiten einlösen konnte.

Die Ergebnisse: ernüchternd!

Kurz zusammengefasst: Die aufwändigen Studien ergaben, dass das Konzept – zumindest in der getesteten Form – für den Innenstadtbesucher nach Geschäftsschluss wenig bis keine Relevanz hat. Die Probanden erkannten den Zweck bzw. die Funktion nicht. Auch das Generieren eines Coupons wurde großteils nicht verstanden, meist brachen die Nutzer vorher ab.

Folgende Learnings konnten wir festhalten:

 1. Bei geschlossenen Geschäften ist der Besucher der Innenstadt in der Regel nicht im Frame of Mind, sich Produkte in Schaufenstern länger anzuschauen, und schon gar nicht auf einem Monitor oder Smartphone.

 2. Selbst bei Neugierde wurde der Nutzen eines Bildschirmes, der das Warenangebot zeigt, nicht erkannt.

 3. Sortimente virtuell darzustellen, ohne die Möglichkeit, sie im sofort anschließenden Schritt online bestellbar zu machen, frustriert den E-Commerce gewohnten Verwender.

 4. Einfachheit in der Bedienung und absolute Zuverlässigkeit sind von oberster Bedeutung.

 5. Die Emotionsmessung bei den Probanden zeigte erschreckende Auswirkungen: Neugier, Freude, Gefallen wichen sehr schnell Enttäuschung, Hilflosigkeit oder gar Selbstzweifeln.

Was wir daraus mitgenommen haben?

 Die Auswertung der Ergebnisse zeigt wiederum ganz deutlich:

1. Die Relevanz für den Kunden muss eindeutig gegeben sein. In diesem speziellen Fall muss man hinterfragen, ob der Innenstadtbesucher außerhalb der Öffnungszeiten überhaupt Interesse an einer Shopping-Situation hat.

 2. Eventuell werden Schaufenster im Allgemeinen besser statisch vom Kunden angenommen. Attraktivität und Emotion im Vorbeigehen bewirken viel mehr als Darstellung von Informationen über Bewegtbild. (Man denke nur an die „Kunstwerke“ in den Schaufenstern der Galerie Lafayette in Paris.)

3. Perfektion in der Exekution ist immer Voraussetzung, sowohl im Content als auch in der technischen Umsetzung.

 4. Die emotionalen Auswirkungen aus einem negativen Shoppererlebnis sind gravierend.