09.09.22 – Kommentar zur IFA 2022
Die IFA ist zurück – auch „nachhaltig“?
Die IFA Berlin hat sich zurückgemeldet – doch wie ist die 2022er Ausgabe einzuschätzen? Ein Kommentar von Elektromarkt-Redaktionsleiter Patrick Stehle.
Die IFA ist wieder da – laut offizieller Abschlussmeldung lockte die Leitmesse für Home Electronics vom 2. bis 6. September über 161.000 Besucher nach Berlin. Dort, auf dem Messegelände unter dem Funkturm, hatten immerhin rund 1100 Aussteller aus 46 Länder ausgestellt. Diese Zahlen können zwar nicht mit der letzten „regulären“ IFA 2019 mithalten, aber dies konnte niemand nach zwei Jahren Pandemie-Pause ernsthaft erwarten. Gerade auch vor dem Hintergrund der vielen Negativschlagzeilen im Vorfeld sind die nackten Zahlen durchaus zufriedenstellend. Doch wie hat sich diese IFA vor Ort wirklich angefühlt?
Viel Freude spürbar
Bereits im Vorfeld, beispielsweise beim IFA IMB im Juli, war vielen Teilnehmern aus Industrie und Handel die Vorfreude anzumerken. Dass die IFA nun auf ihren angestammten Platz im Branchenkalender zurückgekehrt ist, rief während der Messetage oftmals die Reaktion „endlich wieder IFA“ hervor. Verständlich, denn erstens hatte sich an einer großen Stärke nichts geändert: Die Messe findet zu einem entscheidenden Zeitpunkt statt, kurz vor der umsatzstärksten Zeit des Jahres. Zweitens hatte die Pandemie auch deutlich gezeigt, wie wichtig der persönliche Austausch zwischen allen Marktteilnehmern ist. So war bei vielen Gesprächen auch eine echte „Wiedersehens-Freude“ spürbar. Drittens – da haben die Veranstalterinnen von gfu und Messe Berlin mit ihren Einschätzungen auf der Eröffnungspressekonferenz schlicht recht – gibt es in der Branche einen großen Bedarf daran, die neuen Produkte und Innovationen live erleben zu können. Dieser Bedarf ließ sich sowohl bei den Pressekonferenzen der Media-Days als auch an den Publikumstagen spüren.
Das Thema schlechthin: Nachhaltigkeit
Selten war dabei ein Thema über alle Produktkategorien so prägend wie dieses Jahr – dem Aspekt der Nachhaltigkeit ließ sich kaum entkommen. Bemerkenswert dabei war weniger die Frage, wie ernst es die jeweiligen Hersteller mit der Nachhaltigkeit im Einzelfall dann wirklich meinen (oder ob diverse als „nachhaltig“ titulierte Produkte nicht doch eher ein Versuch des „Green Washing“ sind), sondern vielmehr die Tatsache, dass die IFA gerade in Bezug auf dieses Mega-Thema keine „Innovationsschlacht“ war. Vielmehr wurden bereits bekannte Produkte weiter optimiert, besonders hinsichtlich der Schlagworte: Höhere Energieeffizienzklassen, Einsatz recycelter Materialien oder die Erfindung umweltfreundlicherer Materialien, Reduzierung von Verpackungen, immer weiter fortschreitende Vernetzung, um die Geräte noch effektiver zu machen, und sogar Ansätze für den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft.
Was bleibt?
Ob die IFA mit ihren Besucherzahlen, Trends und Neuheiten ihrer gern zitierten Rolle als „weltweit wichtigster Plattform für Home Electronics“ nachkommen und der von gfu und Messe Berlin erhoffte „nachhaltige Wachstums- und Innovationstreiber“ sein konnte, muss sich im weiteren Jahresverlauf erst noch zeigen. Enttäuscht hat der Restart aber definitiv nicht. So dürfte sich zumindest festhalten lassen, dass der Verzicht auf eine Teilnahme seitens mancher Aussteller auf einem Irrglauben beruht: Wer die Vermutung hegte, dass nach den guten Geschäftsverläufen der Pandemie-Jahre eine (Leit-) Messe nicht mehr benötigt wird, konnte in Berlin eines Besseren belehrt werden.
Wie nachhaltig – nicht nur im Hinblick auf die Produkte – diese Erkenntnis bleibt, hängt auch davon ab, wie es mit der IFA selbst weitergeht. Neben der durchaus komplizierter gewordenen Gemengelage für Messen im Allgemeinen ist die Situation bei der IFA – von den beiden Veranstalterinnen selbst verschuldet – noch komplizierter: Die Fronten in den Verhandlungen zur Verlängerung der 2023 auslaufenden Verträge sind offensichtlich weiterhin verhärtet. Weder bei der Eröffnungspressekonferenz noch in der offiziellen Abschlussmeldung gab es Hinweise auf eine Einigung zwischen der gfu Consumer & Home Electronics GmbH und der Messe Berlin GmbH.
So bleibt zu hoffen, dass die handelnden Personen das gerade wieder Fahrt aufnehmende Schiff „IFA“ nicht erneut auf einen Eisberg zusteuern, sondern stattdessen in einen sicheren Hafen für viele weitere Jahre Leitmesse überführen. Dieser Hafen kann für viele Branchenteilnehmer dabei nur einen Namen tragen: Berlin.