15.02.14
Neue Konkurrenz für stationäre Einzelhändler?
Gruner + Jahr macht es mit seinem Feinkost-Portal Delinero, wo es außer Wein und Schokolade auch Kaffeemaschinen, Pfannen oder Trinkgläser zu kaufen gibt, schon länger. Die Zeitungsgruppe Thüringen hat ihr Online-Portal Kaufhaus Mitte im Dezember letzten Jahres eröffnet, die Verlagsgruppe Rhein-Main plant ein E-Commerce-Portal. Wir wollten von einer Einzelhändlerin und einer Medien-Vertreterin wissen, ob solche Aktivitäten eine Bedrohung für die stationären Handelsgeschäfte darstellen. Gegen das erweiterte Sortimentsangebot im Internet spricht sich Katja Sturm, Fachgeschäft Pro Idea in Erfurt aus. Inga Scholz, Geschäftsführerin Zeitungsgruppe Thüringen in Erfurt sieht dagegen keinen Konkorrenzkampf.
Pro: Ich sehe die Versuche von Zeitungsverlagen, sich mit Hilfe von Einkaufsportalen neue Zusatzgeschäfte zu erschließen, durchaus differenziert. Das Konzept des Portals Kaufhaus Mitte der Zeitungsgruppe Thüringen, Traditionsunternehmen aus der Region einen Online-Marktplatz zu bieten, gefällt mir eigentlich gut - gerade kleine Anbieter und Kunsthandwerker können solche zusätzliche Resonanz gut gebrauchen. Aber natürlich ist ein solches Portal immer auch zusätzliche Konkurrenz für stationäre Einzelhändler, die auch dazu führen könnte, dass Händlerkollegen Produkte, die es im Portal gibt, aus ihrem Sortiment nehmen. Unverwechselbare Sortimente sind schließlich ein Alleinstellungsmerkmal von Fachgeschäften. Ein weiterer Punkt, der bei solchen Portalen schwierig ist, ist, dass der durchschnittliche kleine Einzelhändler nicht die Möglichkeit hat, so auf sich aufmerksam zu machen, wie es ein Medienunternehmen kann. Hier liegt der Vorteil klar bei den Portalen.
Zwar steht das Kaufhaus Mitte auch für stationäre Händler offen, für mich ist diese Art, sich zu profilieren, aber nicht interessant - nicht nur, weil es die Marge schmälert. Ich denke, dass es für uns stationäre Händler bessere Wege gibt, sich die Kundengunst zu erhalten und neue Kunden zu gewinnen. Wir bieten Einkaufserlebnisse für alle Sinne, mit Produkten zum Anfassen und Ausprobieren, wir bieten vor allem aber auch den direkten menschlichen Kontakt und das Gespräch. Jeden Tag bestätigen mir Kunden, wie wichtig das ihnen ist. Die Online-Konkurrenz wird weiter wachsen, das steht außer Frage. Aber wir alle können dagegen angehen, indem wir unsere Geschäfte noch einladender machen und den Kunden noch mehr Ideen und Sinnes-Anregungen bieten.
Contra: Einkaufsportale sind keine Konkurrenz für stationäre Einzelhändler, wenn man es richtig macht, ergänzen sie das stationäre Geschäft sinnvoll. Online einzukaufen ist ein Trend und gehört in unseren Alltag wie der duftende Kaffee zur morgendlichen Zeitung - digital oder Print. Internetaffine Menschen, die meist wenig Zeit haben und bequem - wo immer sie auch sind - einkaufen möchten, tun das digital. Eine Realität, die unumkehrbar ist. Als Verlag von drei Tageszeitungen nutzen wir unsere regionale Bekanntheit und bieten hiesigen Produzenten und Händlern ein neues Portal für ihre Produkte, das sie sonst so nicht hätten. Wir verhelfen ihnen mit unserer Bekanntheit zu mehr eigener. Über unser Einkaufsportal erschließen wir Händlern, die natürlich in erster Linie stationäre Händler sind, Online-Shopper: im günstigen Fall für sie neue Zielgruppen und potenzielle Kunden.
«Gutes aus der Region hat eine Heimat», ist der zentrale Gedanke des Einkaufportals Kaufhaus-Mitte. Stationäre Händler aus der Region bieten online Waren an, die meist echte Geheimtipps sind. Oft sind es kleine, alteingesessene Firmen, die für ein eigenes Portal weder Kapazitäten für Personal noch für Marketingaktionen haben. All das sowie technisches wie auch logistisches Know-how bieten wir ihnen als Zeitungsverlag. Günstig für sie ist, dass sie ihre Waren im Umfeld anderer Produzenten präsentieren und gegenseitig davon profitieren - analog zu Boulevards mit vielen stationären Einzelhändlern nebeneinander. Man schaut halt mal rein, und zwar online. Das geht natürlich auch umgekehrt. Stationäre Händler erweitern ihre Vertriebswege. Konkurrenz ist das nicht, sondern sinnvolle Verknüpfung von Know-how.