01.03.24 – Offener Brief von Inna John

„Den Facheinzelhandel stärken – bevor er stirbt“

Inna John, Inhaberin von Lothar John in Hannover, sorgt sich um die Zukunft des Facheinzelhandels. Ihre Gedanken hat sie in einem offenen Brief an ihre Kolleginnen und Kollegen niedergeschrieben:

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Inna John, Geschäftsführerin des Fachgeschäftes Lothar John, fordert in einem offenen Brief mehr Unterstützung durch die Industrie ein. © Lothar John

 

„Liebe Kolleginnen und Kollegen des Facheinzelhandels,

wir sollten annehmen, dass eine starke Partnerschaft zwischen uns als Kaufleuten und unseren Lieferanten bestehen sollte. Über Jahre war dies gegeben, eine mehr oder minder harmonische Zusammenarbeit, von der beide Seiten profitiert haben. Dies scheint vorbei zu sein – zu Lasten des Facheinzelhandels! In den letzten fünf Jahren sind die Kosten für stationäre Geschäfte um circa 50 % gestiegen. (...) Die immens erhöhten Kosten kann die GPK-Marge nicht mehr decken. Die Liste von – teils eingesessenen Fachgeschäften – unserer Branche, die deswegen oder in Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie schließen mussten, ist lang. Es ließe sich hierzu also leicht die Annahme aufstellen, dass die Partnerschaft zwischen Kaufleuten und Lieferanten aufgrund dieser bereits jahrelang anhaltenden Ausnahmesituation gestärkt beziehungsweise in ihrer Ausprägung verändert werden muss. Sie ahnen es? Wurde sie leider nicht.

Einzelhändler werden bestraft

Der Facheinzelhandel war und ist mit seiner hohen Beratungskompetenz und vor allem seiner starken Sortimentspräsentation seiner Lieferanten stets die tragende Säule der angebotenen Premium-Marken. Der Facheinzelhandel hat die angebotenen Marken jahrzehntelang aufgebaut, groß gemacht und im Sinne eines entsprechend hochwertigen Markenauftritts vor dem Endkunden vertreten. Wie kann es sein, dass diese Einzelhändler nun bestraft werden?

Bestraft damit, dass die Lieferanten vor dem Hintergrund der angesprochenen Herausforderungen Ihre Marge nicht angepasst haben, sondern eher geschmälert. Was passiert also? Der Facheinzelhandel (...) muss ums Überleben kämpfen und die Lieferanten schauen dem Sterben des Facheinzelhandels tatenlos zu. (...) Statt in den Facheinzelhandel zu investieren, investieren die Lieferanten lieber in sich selbst und Ihre eigenen Onlineshops. (...)

Apropos Onlineshop: Selbstverständlich haben die meisten Geschäfte unserer Branche – auch wir – einen Online-Auftritt, um weitere Umsätze zu generieren und die Verluste zu kompensieren, die die Geschäfte mittlerweile verbuchen. Doch auch hier werden uns von den Lieferanten viele Steine in den Weg gelegt, indem beispielsweise die niedrige Marge eines reinen Onlineshops angewendet wird.

Seltene Unterstützung

Wir haben das große Glück, im Frühsommer 2024 ein neues, größeres Geschäft in einer 1A-Lage und in einer bis dahin von Grund auf komplett sanierten Luxus-Einkaufsgalerie mit zeitgemäßer Ausstattung im Zentrum Hannovers beziehen und gestalten zu dürfen. In Anbetracht der derzeitigen Herausforderungen eine große Investition für uns, doch eine Investition in die Zukunft des Facheinzelhandels. Würden Sie in dieser Situation nicht auch erwarten, dass sich entsprechende Lieferanten über diese Investition – auch in ihren Marken-Auftritt – freuen und es dementsprechend unterstützen? Doch alles, was uns von vielen Lieferanten angeboten wird als Unterstützung sind wenige Prozente auf die Erstausstattung mit neuer Ware. Eine wertschätzende und partnerschaftliche Unterstützung gibt es noch, so ist es nicht, sie ist aber sehr selten.

Der Facheinzelhandel war stets, im wahrsten Sinne des Wortes, das große und prächtige Schaufenster der Lieferanten. Mit jeder Aufgabe eines Fachgeschäfts „stirbt“ auch ein Schaufenster für unsere Lieblingsmarken! Täglich frage ich mich mit meinem Team, wie das Sterben der Schaufenster gestoppt werden kann. Denn: Je weniger Schaufenster es gibt, desto weniger Sichtbarkeit der Premium-Marken ist gegeben. Vor zehn Jahren hatten wir in Hannover zwölf solcher prächtigen Schaufenster – heute sind es nur noch zwei. Das Sterben der Schaufenster hat unseren Umsatz nicht erhöht. Genauso wenig die Popularität der Marken – im Gegenteil. (...)

Gemeinsam an Konzepten arbeiten

Ich fühle mich aufgrund dieser Entwicklung gezwungen, Produktgruppen ins Sortiment zu nehmen, die eine höhere Marge bieten, um unsere Existenz zu sichern. Was gleichzeitig bedeuten wird, dass unsere Lieblings-Premium-Marken mit den kleineren Margen auch weiterhin „ihre“ Schaufenster verlieren werden… Also: Nur, wenn Premium-Marken gezeigt und hochwertige Porzellan- und Glaswaren von den Endkunden auch gesehen werden, bleiben Sie in der öffentlichen Wahrnehmung! Es ist höchste Zeit, gemeinsam an Konzepten zu arbeiten, wie sich unsere Schaufenster in den 1A-Lagen retten lassen. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich unsere Lieferanten diesen Grundsatz zu Herzen nehmen müssen. Denn nur mit einer aktiven Unterstützung kann dies gelingen – damit der Facheinzelhandel auch weiterhin lebt!

Inna John (Inhaberin)

Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema? Schreiben Sie uns an info@stilundmarkt.de.

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